Nebenklage


Die Nebenklage bietet dem Opfer einer Straftat die Möglichkeit, sein persönliches Interesse auf Genugtuung zu verfolgen und sich gegen eine etwaige Leugnung oder Verharmlosung seiner Verletzungen zur Wehr zu setzen. Durch die Ausstattung mit eigenen prozessualen Rechten ist es dem Nebenkläger möglich, den Gang des Verfahrens wesentlich zu beeinflussen. Nicht selten kann die aktive Rolle des Nebenklägers im Vergleich zu einer rein passiven Rolle als Zeuge dem Opfer einer Straftat helfen, die emotionalen und psychischen Folgen der individuellen Unrechtserfahrung besser zu bewältigen.

Allerdings ist die Frage, wie stark man sich an einem Strafverfahren gegen den Täter beteiligen möchte, immer sehr individuell. Jeder Mensch reagiert anders auf traumatische Erlebnisse und hat seinen eigenen Weg, diese zu verarbeiten. Was für den einen hilfreich und heilsam sein kann, kann für den anderen überwältigend oder belastend sein. Bevor man sich für oder gegen eine Nebenklage entscheidet, sollte man als Opfer eine klare Haltung entwickelt haben, inwieweit man sich tatsächlich am Strafverfahren beteiligen möchte. Bei alledem ist es wichtig, realistische Erwartungen an den Verlauf und das Ergebnis des Strafverfahrens zu haben und gegebenenfalls darauf vorbereitet zu sein, dass bestimmte Erwartungen unter Umständen nicht vollständig erfüllt werden (können). Gerade der letztgenannte Aspekt sollte nicht unterschätzt werden. Denn wenn überhöhte, tatsächlich nicht erfüllbare Erwartungen an das Strafverfahren gestellt werden und diese am Ende enttäuscht werden, besteht die Gefahr, dass die individuelle Unrechtserfahrung nicht gemildert, sondern im Gegenteil noch verstärkt wird.

Welche Voraussetzungen hat der Anschluss als Nebenkläger?

Eine Nebenklage setzt immer voraus, dass die Staatsanwaltschaft zuvor Anklage erhoben hat. Von sich aus kann der Nebenkläger kein Verfahren in Gang setzen. Sprachlich kommt dies dadurch zum Ausdruck, dass man eine Nebenklage nicht erhebt, sondern sich mit der Nebenklage der Anklage der Staatsanwaltschaft anschließt. Nach erfolgtem Anschluss ist der Nebenkläger jedoch in der Ausübung seiner prozessualen Rechte von der Staatsanwaltschaft völlig unabhängig.

Nebenkläger kann nur sein, wer selbst und unmittelbar durch die Tat geschädigt wurde. Eine Ausnahme besteht bei Tötungsdelikten, wenn das Opfer verstorben ist. Dann sind auch enge Hinterbliebene (Eltern, Kinder, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner) zur Nebenklage berechtigt.

Zusätzlich zur Opfereigenschaft ist eine sogenannte Nebenklagebefugnis erforderlich. Wann diese vorliegt, ist gesetzlich festgelegt. Nebenklagebefugt ist insbesondere, wer Opfer einer in § 395 Abs. 1 StPO aufgezählten Katalogtat geworden ist. Hierzu gehören zum Beispiel:

  • Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung

  • Mord und Totschlag

  • Vorsätzliche Körperverletzungsdelikte

  • Menschenhandel

  • Nachstellung

Diese Delikte sind, wie die Aufzählung erkennen lässt, durchweg höchstpersönliche Verletzungstatbestände mit Gewaltkomponente. Dagegen sind z.B. reine Vermögensdelikte wie etwa Betrug oder Untreue in der Aufzählung nicht enthalten.

Wenn keine Katalogtat vorliegt, ist eine Nebenklage nur im Ausnahmefall zulässig, wenn dies “aus besonderen Gründen geboten erscheint” (§ 395 Abs. 3 StPO).

Der Anschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zulässig. Er kann auch erst nach Urteilsverkündung erfolgen zu dem Zweck, mit Rechtsmitteln gegen das Urteil vorzugehen.

Welche prozessualen Rechte habe ich als Nebenkläger?

Die Nebenklage ermöglicht es dem Opfer einer Straftat als ein mit eigenständigen prozessualen Rechten ausgestatteter Verfahrensbeteiligter aktiv an einem Strafverfahren teilzunehmen. Der Unterschied zur Stellung als bloßer Zeuge wird bereits durch den Sitzplatz im Gerichtssaal während der Hauptverhandlung deutlich. Anders als der Zeuge (nach seiner Aussage) nimmt der Nebenkläger nicht auf den Zuschauerplätzen Platz, sondern sitzt stattdessen während der gesamten Verhandlung im vorderen Teil des Saals, direkt neben der Staatsanwaltschaft.

Die einzelnen Rechte des Nebenklägers sind in § 397 StPO abschließend geregelt. Hierzu zählen vor allem:

  • Akteneinsicht

  • Recht auf Anwesenheit während der gesamten Hauptverhandlung, auch wenn der Nebenkläger als Zeuge vernommen werden soll

  • Möglichkeit mit einem Anwalt zu erscheinen oder sich durch diesen vertreten zu lassen

  • Stellung von Beweisanträgen

  • Fragerecht

  • Recht auf Abgabe von Erklärungen

  • Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Nichteröffnung des Hauptverfahrens, gegen einen Freispruch und in eingeschränktem Umfang gegen das Urteil

Kann ich als Nebenkläger auch Schadens- und Schmerzensgeldansprüche geltend machen?

Für die Geltendmachung von Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüchen im Strafverfahren sieht die Strafprozessordnung den sogenannten Adhäsionsantrag (§ 403 StPO) vor. Der Adhäsionsantrag ermöglicht es dem Opfer einer Straftat, bereits im Strafverfahren zivilrechtliche Ansprüche gegen den Täter geltend zu machen, ohne hierfür einen zusätzlichen Zivilprozess führen zu müssen. Er bietet dem Opfer damit eine einfache und kostengünstige Möglichkeit, seine Schadensersatzansprüche gegen den Täter durchzusetzen. Solche Adhäsionsanträge werden häufig in Strafverfahren mit Nebenklägerbeteiligung gestellt. Eine Nebenklage ist für die Stellung eines Adhäsionsantrages jedoch nicht erforderlich, jeder Geschädigte kann einen Adhäsionsantrag stellen, auch wenn er sich dem Verfahren nicht als Nebenkläger angeschlossen hat.

Muss ich meine Anwaltskosten als Nebenkläger selbst tragen?

Die Staatskasse übernimmt die Kosten für einen anwaltlichen Beistand nur in bestimmten Fällen. Auch hierzu enthält das Gesetz einen Katalog (§ 397a Abs. 1 StPO). Einen Anspruch auf Kostenübernahme durch den Staat hat nur, wer Opfer einer der dort genannten Katalogtaten geworden ist. Hierzu gehören zum Beispiel:

  • Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, soweit es sich um Verbrechen handelt

  • Menschenhandel

  • (Versuchte) Tötungsdelikte

  • Nahe Angehörige als Hinterbliebene eines Getöteten

  • Delikten, die schwere körperliche und/oder seelische Schäden zur Folge hatten oder haben werden (schwere und dauerhafte Gesundheitsschädigungen)

Hervorzuheben ist, dass der Staat bei Vorliegen einer Katalogtat die Anwaltskosten unabhängig von den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Nebenklägers übernimmt. Der Nebenkläger trägt in diesem Fall kein Kostenrisiko. Selbst wenn der Angeklagte am Ende freigesprochen wird, bleibt es bei der Kostentragung durch die Staatskasse.

Gehört ein Verletzter dagegen keiner “privilegierten” Nebenklägergruppe an, muss er seine Anwaltskosten grundsätzlich selbst tragen. Er trägt auch das Risiko, am Ende des Verfahrens auf seinen Kosten sitzen zu bleiben. Denn nur wenn der Angeklagte verurteilt wird, kann der Nebenkläger seine Anwaltskosten vom Angeklagten erstattet verlangen. Wird der Angeklagte hingegen freigesprochen oder das Verfahren aus Opportunitätsgründen eingestellt, kann der Nebenkläger weder vom Angeklagten noch vom Staat die Erstattung seiner Kosten verlangen.

Was ist mit Prozesskostenhilfe?

Der nicht “privilegierte” Nebenkläger hat für die Kosten eines anwaltichen Beistands grundsätzlich selbst aufzukommen. Allerdings besteht für einkommensschwache Personen die Möglichkeit Prozesskostenhilfe zu beantragen (§ 397a Abs. 2 StPO) Wird Prozesskostenhilfe auf Antrag hin bewilligt, werden die Anwaltskosten des Nebenklägers von der Staatskasse verauslagt. Der Nebenkläger muss allenfalls Raten an die Staatskasse zurückzahlen.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist jedoch von Voraussetzungen abhängig:

  • Wirtschaftliches Unvermögen: der Antragsteller muss außerstande sein, die Kosten eines Rechtsanwalts selbst aufzubringen

  • Unfähigkeit zur oder Unzumutbarkeit der Selbstwahrnehmung: die fehlende Fähigkeit, die eigenen Interessen auch ohne Mitwirkung eines Anwalts angemessen wahrzunehmen zu können

Das Vorliegen beider Voraussetzungen ist in jedem Einzelfall genau darzulegen.

Gibt es sonstige finanzielle Hilfsangebote?

Auch jenseits der staatlichen Prozesskostenhilfe gibt es finanzielle Hilfsangebote. Zu nennen sind hier vor allem Opferschutzvereine. Beispielsweise stellt der WEISSE RING e.V. sogenannte Rechtsberatungsschecks für eine anwaltliche Erstberatung aus und übernimmt in Einzelfällen auch weitere Kosten. Solche nicht-staatlichen Angebote haben allerdings meist zur Bedingung, dass zuvor erfolglos ein Antrag auf staatliche Prozesskostenhilfe gestellt wurde.