Strafbefehl


Das Strafbefehlsverfahren ist ein abgekürztes Verfahren ohne mündliche Hauptverhandlung. Anstelle eines Urteils erlässt das zuständige Strafgericht allein auf Aktengrundlage einen schriftlichen Strafbefehl. Der Strafbefehl steht in seinen Wirkungen einem Urteil gleich, wenn nicht innerhalb von zwei Wochen Einspruch eingelegt wird (§ 410 Abs. 3 StPO). Das heißt, die Strafe ist vollstreckbar und wird in das Bundeszentralregister eingetragen und im polizeilichen Führungszeugnis wiedergegeben.

In welchen Fällen kommt ein Strafbefehl nur in Betracht?

Der Anwendungsbereich des Strafbefehlsverfahrens ist von vornherein begrenzt auf leichtere Tatvorwürfe. Ein Strafbefehl darf gemäß § 407 StPO nur erlassen werden, wenn

  • es sich bei dem Tatvorwurf lediglich um ein Vergehen* handelt und

  • nur eine Geldstrafe verhängt wird (wenn der Beschuldigte einen Verteidiger hat, kann theoretisch auch eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr verhängt werden, wenn diese zur Bewährung ausgesetzt wird, was jedoch in der Praxis nur eine stark untergeordnete Rolle spielt).


    *Vergehen sind Straftatbestände, bei denen der vom Gesetzgeber vorgegebene Strafrahmen eine mildere Bestrafung zulässt als ein Jahr Freiheitsstrafe. Verbrechen hingegen sind Straftatbestände, bei deren Verletzung das Gericht zwingend eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr zu verhängen hat (
    § 12 StGB).

Wann ist ein Einspruch gegen einen Strafbefehl ratsam?

Ob ein Einspruch ratsam ist, kann nicht pauschal beantwortet werden und hängt immer von den Umständen des Einzelfalls ab. Es lohnt sich aber immer, die Chancen und Risiken eines Einspruchs anwaltlich prüfen zu lassen. Denn das Strafbefehlsverfahren ist als „Schnellverfahren” und dadurch, dass allein nach Aktenlage entschieden wird, naturgemäß anfällig für Fehler und unbillige Härten.

Hinsichtlich der Frage, wann ein Einspruch ratsam ist, kann allgemein zwischen zwei Situationen unterschieden werden:

  1. Einspruchsziel = Freispruch

    Ein Freispruch ist wahrscheinlicher als eine Verurteilung, entweder weil der Beschuldigte unschuldig ist oder die Schuld in der Hauptverhandlung voraussichtlich nicht bewiesen werden kann.

  2. Einspruchsziel = Reduzierung der Strafe

    Selbst wenn der Beschuldigte die ihm vorgeworfene Straftat begangen hat und auch keine ernsthaften Zweifel daran bestehen, dass die Schuld in einer Hauptverhandlung bewiesen werden kann, kann ein Einspruch dennoch sinnvoll sein, um eine Reduzierung der Strafe zu erreichen.

    Die Festlegung der konkreten Strafhöhe erfolgt im Strafbefehlsverfahren stark schematisch. Eine echte Strafzumessung, die alle “Umstände, die für und gegen den Täter sprechen” (§ 46 StGB) berücksichtigt, findet nur in einem sehr begrenzten Umfang statt.

    Eine Reduzierung der Strafe wird vor allem dann gelingen, wenn erhebliche strafmildernde Umstände geltend gemacht werden können, die bei Erlass des Strafbefehls keine (ausreichende) Berücksichtigung gefunden haben, sei es, weil sie sich nicht aus der Akte ergeben haben, sei es, weil sie schlicht übersehen wurden.

Bei alledem ist wichtig zu beachten, dass ein Einspruch auch Risiken birgt. Wenn das Gericht nach der mündlichen Verhandlung die Schuld als erwiesen ansieht, besteht die Gefahr, dass eine höhere Strafe als im ursprünglichen Strafbefehl verhängt wird. Aus diesem Grunde ist dringend zu empfehlen, von einem Anwalt vorab überprüfen zu lassen, ob ein Einspruch tatsächlich ratsam ist oder im Gegenteil sogar das konkrete Risiko einer “Verböserung” der Strafe besteht.

Wie lange habe ich für den Einspruch Zeit?

Die Einspruchsfrist beträgt zwei Wochen (§ 410 Abs. 1 StPO). Die Frist muss unbedingt eingehalten werden. Wird der Einspruch nicht rechtzeitig eingelegt, wird der Strafbefehl rechtskräftig und unanfechtbar.

Die Einspruchsfrist beginnt mit der Zustellung des Strafbefehls. Maßgeblich ist insofern einzig und allein das auf dem gelben Umschlag vermerkte Zustellungsdatum. Unerheblich ist, wann der Strafbefehlsempfänger tatsächlich Kenntnis von dem Strafbefehl erlangt hat.

Was passiert nach einem Einspruch?

Wird gegen den Strafbefehl Einspruch eingelegt, geht das Strafbefehlsverfahren in ein übliches Gerichtsverfahren über. Das Gericht bestimmt einen Termin zur Hauptverhandlung, zu der der Strafbefehlsempfänger, nunmehr als Angeklagter, erscheinen muss, die Staatsanwaltschaft anwesend ist, Beweise erhoben, Zeugen gehört werden etc.pp.

Beschränkung auf die Tagessatzhöhe möglich

Es besteht bei einer Geldstrafe die Möglichkeit, den Einspruch auf die Tagessatzhöhe zu beschränken (§ 410 Abs. 2 StPO). In diesem Fall wird der vorgeworfene Sachverhalt insgesamt eingeräumt und auch die Anzahl der festgesetzten Tagessätze akzeptiert. Im Folgenden geht es nur noch darum, ob die im Strafbefehl festgesetzte Tagessatzhöhe Ihren Einkommensverhältnissen entsprechend bemessen wurde.

Dieses Vorgehen empfiehlt sich, wenn die Beweislage eindeutig ist und auch die Anzahl der im Strafbefehl festgesetzten Tagessätze als angemessen bzw. milde anzusehen ist, allerdings Ihr Einkommen vom Gericht zu hoch geschätzt wurde. Es kann dann – ohne jegliches Risiko einer “Verböserung” – eine Reduzierung des Gesamtbetrags der Geldstrafe erreicht werden.

Bei einer Beschränkung des Einspruchs auf die Tagessatzhöhe und gleichzeitiger Vorlage aussagekräftiger Nachweise, welche Ihr Einkommen eindeutig belegen, findet in der Regel keine mündliche Verhandlung statt. Eine Gerichtsverhandlung, bei der Sie persönlich erscheinen müssen, bleibt Ihnen in der Regel erspart.

Möglichkeit der Einspruchsrücknahme

Bis zum Beginn der Hauptverhandlung kann der Einspruch ohne Zustimmung der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts zurückgenommen werden (§ 411 Abs. 3 StPO). Dies hat folgenden Vorteil: Wenn Sie im Ermittlungsverfahren noch keinen Verteidiger hatten, kann durch den Einspruch das notwendige Zeitfenster für eine erste anwaltliche Intervention geschaffen werden. In der Zeit zwischen der Einlegung des Einspruchs und dem vom Gericht zu bestimmenden Hauptverhandlungstermin kann Ihr Verteidiger versuchen, mit der Staatsanwaltschaft und dem Gericht eine Verständigung über die Einstellung des Verfahrens herbeizuführen. Nicht selten gelingt es, auch wenn bereits ein Strafbefehl ergangen ist, im Verhandlungswege eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen und damit eine Hauptverhandlung mit ungewissem Ausgang zu vermeiden. Sollte eine Verständigung nicht zu erreichen sein, kann Ihr Verteidiger nun in Kenntnis der genauen Aktenlage “in Ruhe” abwägen, ob es in Ihrem Fall wirklich sinnvoll ist, eine Hauptverhandlung durchzuführen (mit dem Risiko einer Verböserung der Strafe) oder ob es besser ist, den Einspruch auf die Höhe des Tagessatzes zu beschränken oder gar den Strafbefehl ganz zu akzeptieren und den Einspruch zurückzunehmen.