Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) – Strafe, Voraussetzungen & Verteidigung

§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG stellt das bewaffnete Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Strafe. Der Straftatbestand sieht im Regelfall eine Mindeststrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe vor. Wegen der hohen Mindeststrafandrohung ordnen die Gerichte bei dringendem Tatverdacht nach § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG in aller Regel Untersuchungshaft an und es ergeht ein Haftbefehl. Der Straftatbestand ist vergleichsweise „leicht“ erfüllt. Unter Umständen reicht bereits ein Messer in der Nähe einer mittelgroßen Menge Betäubungsmittel. Vielen Tätern ist das Risiko nicht bewusst.

Wann liegt bewaffnetes Handeltreiben vor?

Den Straftatbestand erfüllt nach dem Gesetzeswortlaut, wer

“mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind”.

Mitsichführen bei einem Teilakt des Handeltreibens genügt

Handeltreiben ist ein sogenanntes Unternehmensdelikt. Es setzt sich aus einer Vielzahl absatzorientierter Tätigkeiten zusammen: Beschaffen, Transportieren, Strecken, Portionieren, Lagern, Verkaufen usw. All dies sind Teilakte des Handeltreibens, soweit sie auf den gewinnbringenden Verkauf von Betäubungsmitteln gerichtet sind. Zur Erfüllung des Qualifikationstatbestandes des bewaffneten Handeltreibens genügt es, die Waffe oder den sonstigen gefährlichen Gegenstand bei irgendeinem Teilakt des Handeltreibens mit sich zu führen. Ein Mitsichführen der Schusswaffe oder des Gegenstands bei geschäftlichen Kontakten bzw. Verkaufsgeschäften ist nicht erforderlich.

Ebensowenig ist ein Tragen der Waffe oder des Gegenstandes am Körper erforderlich. Es genügt, dass der Täter auf die Waffe oder den Gegenstand beim Umgang mit den Betäubungsmitteln jederzeit zugreifen kann. Dies ist der Fall, wenn die Schusswaffe oder der Gegenstand sich „in Griffweite“ (von den Betäubungsmitteln) befindet.

Bewusste Bewaffnung nicht erforderlich

Nicht erforderlich ist ferner der Wille, die Waffe im Zusammenhang mit dem Handeltreiben gegebenenfalls einzusetzen. Es genügt das Bewusstsein, über die Schusswaffe oder den Gegenstand jederzeit verfügen zu können.

Bewaffnetes Handeltreiben und Wohnungsdurchsuchung (Wohnungsfälle)

Nach einer Wohnungsdurchsuchung, bei der Betäubungsmittel in nicht geringer Menge sowie Schusswaffen oder sonstige gefährliche Gegenstände aufgefunden wurden, steht regelmäßig der Vorwurf des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Raum.

Auch das bloße Lagern bzw. Vorrätighalten von Betäubungsmitteln stellt einen Teilakt des Handeltreibens dar. Der häufige Einwand, dass in der Wohnung niemals irgendwelche geschäftliche Kontakte oder Verkaufsgeschäfte stattgefunden hätten, die Betäubungsmittel dort lediglich gelagert worden seien, greift daher von vornherein ins Leere bzw. kann allenfalls im Rahmen der Strafzumessung Bedeutung haben.

Da das Mitsichführen lediglich voraussetzt, dass der Täter jederzeit , das heißt: “ohne nennenswerten Zeitaufwand” und „ohne größere Schwierigkeiten“, auf die Schusswaffe oder den Gegenstand zugreifen kann, kommt es in diesen Fällen regelmäßig auf die genauen räumlichen Verhältnisse in der Wohnung an: Wo befanden sich die Betäubungsmittel, wo die Schusswaffe bzw. der Gegenstand in der Auffindesituation? Bei getrennter Aufbewahrung in verschiedenen Räumen wird ein Mitsichführen von der Rechtsprechung verneint, wenn sich die Waffe in einem verschlossenen Behältnis befindet und das Öffnen so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass eine jederzeitige Zugriffsmöglichkeit nicht gegeben ist.

Was gilt als Schusswaffe oder sonstiger (gefährlicher) Gegenstand?

Schusswaffen

Neben “echten” Handfeuerwaffen gelten nach ständiger Rechtsprechung auch Schreckschuss- und Gaspistolen als „Schusswaffen“. Hintergrund ist, dass auch bei Schreckschuss- und Gaspistolen erhebliche, unter Umständen sogar tödliche Verletzungen möglich sind, wenn Schüsse mit angesetzter Mündung oder aus wenigen Zentimetern Entfernung abgegeben werden. Ausgenommen sind nur solche Schreckschusswaffen, bei denen der Explosionsdruck ausschließlich seitlich und nicht nach vorne entweicht.

Auch ungeladene Schusswaffen können den Tatbestand erfüllen, sofern passende Munition in Griffweite vorhanden ist und die Waffe innerhalb weniger Sekunden in schussbereiten Zustand versetzt werden kann.

Sonstige gefährliche Gegenstände

Bei den sonstigen gefährlichen Gegenständen ist zu unterscheiden zwischen "Waffen im technischen Sinne", "gekorenen Waffen" sowie sonstigen Gegenständen. Diese Unterscheidung ist relevant, da bei “Waffen im technischen Sinne” und “gekorenen Waffen” die Zwecksetzung durch den Täter (“zur Verletzung von Personen bestimmt”) und das Bewusstsein der Verfügbarkeit ohne weiteres auf der Hand liegen. Dagegen braucht es bei den sonstigen Gegenständen besonderer Feststellungen, die belegen, dass der Täter diese Gegenstände auch tatsächlich zur Verletzung von Menschen bestimmt hat und sich deren Verfügbarkeit auch bewusst war.

Waffen im technischen Sinne

"Waffen im technischen Sinne" sind tragbare Gegenstände, die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, insbesondere Hieb- und Stoßwaffen (§ 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe a WaffG). Für die Wesensbestimmung maßgebend ist der Wille des Herstellers. Das heißt, ein Gegenstand ist dann als “Waffe im technischen Sinne” anzusehen, wenn er nach der Vorgabe des Herstellers in erster Linie dazu bestimmt ist, Personen Verletzungen beizubringen. Nicht unter den Begriff der “Waffen im technischen Sinne” fallen Gegenstände, die zwar Hieb- und Stoßwaffen nachgebildet sind, aber aufgrund abgestumpfter Spitzen oder stumpfer Schneiden offensichtlich nur für Sport, Brauchtumspflege oder Dekoration geeignet sind.

Gekorene Waffen

Unter "gekorenen Waffen" versteht man Gegenstände, die, ohne dazu bestimmt zu sein, insbesondere wegen ihrer Beschaffenheit, Handhabung oder Wirkungsweise geeignet sind, die Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen zu beseitigen oder herabzusetzen, und im Waffengesetz bzw. in Anlage 1 zu § 1 Absatz 4 WaffG Unterabschnitt 2 Nr. 2 ausdrücklich genannt sind (§ 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe b WaffG). Darunter fallen z. B.:

  • Springmesser

  • Fallmesser

  • Faustmesser

  • Butterfly- oder Faltmesser

Sonstige gefährliche Gegenstände (z. B. Küchenmesser, Baseballschläger)

Als sonstiger Gegenstand kommt grundsätzlich jeder Gegenstand infrage, der objektiv dazu geeignet ist, Personen zu verletzen. Dazu zählen auch Gebrauchs- und Alltagsgegenstände wie ein handelsübliches Küchenmesser. Im Einzelfall sind allerdings eingehende Feststellungen erforderlich, die belegen, dass der Täter diesen Gegenstand tatsächlich zur Verletzung von Personen bestimmt hat. Zur Erklärung: Der Besitz eines Küchenmessers „in Griffweite“ zu Betäubungsmitteln ist beispielsweise „unproblematisch“, wenn die Betäubungsmittel bei einer Wohnungsdurchsuchung aufgefunden werden, da sich hier regelmäßig nicht nachweisen lässt, dass der Täter das Küchenmesser zur Verletzung von Personen bestimmt hat. Dagegen ist der Besitz problematisch, wenn das Küchenmesser beim Transport von Betäubungsmitteln im Handschuhfach des Täterfahrzeugs aufgefunden wird. Letzteres legt nämlich sehr nahe, dass das Küchenmesser „dazu bestimmt war“, zur Absicherung des Transports zu dienen, und anderweitige Verwendungsmöglichkeiten eher fernliegend erscheinen.

Verteidigungsansätze beim Vorwurf des bewaffneten Handeltreibens

  • Handeltreiben liegt nicht vor, sondern lediglich Besitz (zum Eigenverbrauch)

  • Eigenes Handeltreiben des Täters liegt nicht vor, sondern lediglich Beihilfe (z.B. bei reiner Kuriertätigkeit) oder Tätigkeit als bloßer “Bunkerhalter”); Haupttäter hatte keine Kenntnis von Bewaffnung des Täters

  • Schusswaffe/Gegenstand stand nicht "griffbereit zu Verfügung"

  • Keine Bestimmung des Gegenstands zur Verletzung von Personen

Fazit: Spezialisierte Verteidigung unerlässlich

In der Praxis wird beim Vorwurf des bewaffneten Handeltreibens in nicht geringer Menge immer zum Landgericht angeklagt, sodass im Falle einer Verurteilung keine Berufung, sondern nur die Revision möglich ist. Die Erfolgsaussichten einer Revision sind jedoch statistisch gesehen sehr gering. Nicht zuletzt deshalb sollte bei dem Vorwurf des bewaffneten Handeltreibens unbedingt ein im Drogenstrafrecht erfahrener Strafverteidiger beauftragt werden, der die besonderen Verteidigungsmittel beherrscht.


FAQ zum bewaffneten Handeltreiben nach § 30a BtMG

  • Von bewaffnetem Handeltreiben spricht man, wenn jemand beim Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge eine Schusswaffe oder einen sonstigen “zur Verletzung von Personen geeigneten und bestimmten” Gegenstand mit sich führt.

  • Die Freiheitsstrafe beträgt mindestens 5 Jahre und kann bis zu 15 Jahre betragen, was eine besonders hohe Strafe für den organisierten Drogenhandel darstellt. In minderschweren Fällen beträgt die Strafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

  • Ein Mitsichführen liegt vor, wenn der Täter während eines Teilakts des Handeltreibens jederzeit Zugriff auf die Waffe oder den gefährlichen Gegenstand hat. Entscheidend ist, dass die Waffe oder den Gegenstand in Griffweite bei sich hat. Ein Tragen am Körper ist nicht erforderlich.

  • Ja. Auch Schreckschuss- und Gaspistolen gelten als Schusswaffen im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, da auch sie bei entsprechender Verwendungsweise erhebliche Verletzungen verursachen können.

  • Es kommt darauf an. Alltagsgegenstände wie Küchenmesser erfüllen den Qualifikationstatbestand, wenn sie vom Täter zur Verletzung von Personen bestimmt sind, also z.B. wenn das Küchenmesser zur Absicherung eines Drogentransports mitgeführt wird.

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